Rechner für Hitler: Erfinder des ersten Computers der Welt, den niemand kennt
Rechner für Hitler: Erfinder des ersten Computers der Welt, den niemand
kennt
21:13 20.08.2018 Zum Kurzlink
Der Name Konrad Zuse ist nicht vielen bekannt. Der Höhepunkt der
Tätigkeit des Entwicklers des ersten funktionsfähigen Computers der Welt
entfiel auf die Nazi-Zeit. Über ihn, seine Arbeit, und wie eine seiner
Entwicklungen mit der „Vergeltungswaffe“ verwechselt wurde, schreibt das
Portal „Lenta.ru“.
Flucht aus Berlin
Das Jahr 1944. Der Krieg neigt sich dem Ende zu. Berlin wird regelmäßig
bombardiert. Konrad Zuse und ein Freund von ihm gehen auf einer Straße,
von den Trümmern ringsum steigt nach dem nächtlichen Bombenangriff der
Alliierten Rauch auf. Wir haben einen Moment erreicht, an dem wir die
allmächtige Energie des Atomkerns kontrollieren und erschließen können,
sagte der Freund zu Zuse. Bald könnten sie sehr große Bomben entwickeln.
Es besteht das Risiko, dass das Experiment nicht nach Plan verläuft und
wir die ganze Erde in die Luft sprengen, ergänzte der Freund.
So erfuhr Zuse von der Existenz einer Atombombe. Natürlich erscheint
letztere Behauptung merkwürdig, und er wusste nicht, woher sein Freund
diese Informationen bekam, doch bald nahmen diese Gerüchte ihren Lauf
durch das ganze Land. Zudem gewannen sie an Nahrung, nachdem Deutschland
die Entwicklung einer „Vergeltungswaffe“ verkündete.
Welche deutschen Firmen haben Hitlers Armeen bewaffnet, eingekleidet und
versorgt?
Konrad Zuse war Ingenieur und fasste solche Äußerungen ziemlich
skeptisch auf. Doch angesichts der Tatsache, dass mit der Wunderwaffe
Raketen gemeint wurden, die das Geschoss viele Kilometer weit bringen
konnten, vermutete er, dass das Dritte Reich über Atomwaffen verfüge.
Doch dem war nicht so. Deutschland hatte keine Atombombe, und zur
Entwicklung einer ballistischen Rakete, die mehrere Tonnen Sprengstoff
auf große Entfernungen tragen könnte, hatten die deutschen Behörden
weder Mittel noch Möglichkeiten. Dennoch schienen sie nicht besonders
beunruhigt über die Tatsache, dass die Nazi-Spitze so langsam ihren
Verstand verlor. Sie hofften auf ein Wunder.
Ingenieur Zuse stieß auf ein Wunder, als der Physiker Funk an seiner Tür
klopfte. Damals arbeitete Zuse mit Kollegen an der Entwicklung des
Apparats V4 und dachte darüber nach, wie er Berlin verlassen könnte.
Funk wurde ins Zuses Team aufgenommen, arbeitete dort jedoch nie als
Physiker. Doch er wurde zu einem unersetzbaren Vermittler, der Zuse,
sein Team und sein Werk rettete.
Die Verbindungen Funks und die Bezeichnung dieses Apparats spielten
dabei die Hauptrolle. Die Vergeltungswaffen hatte die Code-Bezeichnungen
V1, V2 und V3. Der Name von Zuses Apparat – V4 – bedeutete
Versuchsmodell, doch als Funk die Zauberworte V4 sagte, kamen die
Staatsbeamten nicht einmal auf die Idee, dass es sich nicht um die
Entwicklung eines weiteren Modells der Vergeltungswaffe handelte. Der
Satz „V4 muss unversehrt aus Berlin evakuiert werden“ endete damit, dass
ihnen die Papiere zur Ausreise ausgehändigt wurden, um Berlin verlassen
zu können. Sie organisierten sogar einen Laster für das V4-Gerät, obwohl
diese selbst für den Transport von Flugzeugteilen kaum noch zu finden
waren.
V2-Rakete beim Start 1943
Einige Tage später wurde das Gerät nach Göttingen gebracht, wo die
Arbeiten an V4 abgeschlossen wurden. Anschließend ging es weiter nach
Oberjoch in Bayern. In der bayerischen Provinz kamen Wernher von Braun
und sein Team, Entwickler der V-Raketen, hinzu, mit denen das Gerät
Zuses verwechselt wurde. Er war der künftige Vater des
US-Weltraumprogramms. Zuse und von Braun unterhielten sich einige Tage,
der Ingenieur verstand plötzlich, dass der Raketenbauer keine
Vorstellung davon hatte, welche Rolle die Nachfahren von V4 bei der
Erschließung des Weltalls spielen können. Nach einiger Zeit trennten
sich ihre Wege. Zuse zog im April 1945 zusammen mit seinen Assistenten
und dem Gerät in ein anderes bayerisches Dorf – Hinterstein.
Die Ingenieure wurden in Hinterstein kühl empfangen. Einige Tage vor
ihrer Ankunft hatte eine SS-Einheit die Einwohner eines Hauses
vertrieben und dort ihr eigenes Hauptquartier eingerichtet. Natürlich
wurde von den Eindringlingen, die mit einem Wehrmachts-Wagen
eingetroffen waren, nichts Gutes erwartet. Das Ende des Krieges war in
diesen Tagen zum Greifen nahe. Kurze Zeit später sollten dort bereits
französische Besatzungstruppen auftauchen.
Erste in der Welt
Die Maschine, um die Zuse so sehr besorgt war, wurde später Z4 genannt.
Sie war eine der ersten programmierbaren Computer in der Welt, sein
Vorgänger Z3 war überhaupt der erste.
Schwarzer Traum: Faschisten schufen ein Paradies in Afrika. Was ist
davon übrig?
Alles begann 1937, als Zuse die Arbeit am Prototyp einer binären
Rechnermaschine aufnahm, die Anweisungen von einem perforierten Band
ablesen konnte, er wurde Z1 genannt. Im Unterschied zu modernen
Computern war das Gerät völlig mechanisch – weder elektronisch noch
elektrisch.
Die 1938 fertiggestellte Z1-Maschine konnte mehrere
Routine-Rechenaufgaben lösen, doch leider kam es häufig zu Pannen. Alle
Elemente wurden manuell hergestellt, weshalb die mechanischen
Schaltwerke regelmäßig klemmten. Zuse hatte keine Möglichkeit, mit einem
großen Team begabter Wissenschaftler zusammenzuarbeiten, wie es in den
US-Firmen IBM bzw. Bell Labs der Fall war.
Z1-Maschine im deutschen Technik Museum in Berlin
Allerdings konnte Z1 etwas Wichtiges nachweisen – das
theoretisch-logische Konzept, das von Zuse entwickelt wurde,
funktioniert in der Praxis. Sein früherer Studienkollege Helmut
Schreier, der bei der Entwicklung der Maschine half, beharrte darauf,
dass bei der nächsten Version Vakuum-Radiolampen statt mechanischer
Schaltmittel eingesetzt werden. Wäre dieses Konzept sofort umgesetzt
worden, hätten sie den ersten funktionierenden Computer in der Welt
geschaffen. Doch Zuse fehlte einfach ausreichend Geld dazu – zum Bau
einer solchen Maschine wären 2000 Radiolampen notwendig.
Deswegen wurden bei Z2 gebrauchte elektromagnetische Relais-Schaltmittel
eingesetzt, die bei einem Telefonunternehmen erworben wurden. Sie waren
deutlich billiger, doch natürlich auch viel langsamer als Lampen. Im
Ergebnis bekam Zuse einen Rechner, dessen arithmetischer Block aus
elektromagnetischen Relais bestand, während der Speicher weiterhin
mechanisch funktionierte.
Botschaft für Hitlers Luftwaffe in Irland entdeckt – FOTOS
1939 begann Zuse mit der Arbeit am dritten Modell, das die
elektromagnetischen Relais sowohl im arithmetischen Block als auch in
Speichern nutzte. Nach zwei Jahren, im Jahr 1941, wurden die Arbeiten an
dem Modell abgeschlossen, das somit der erste digitale multifunktionale
programmierbare Rechner in der Welt war. Sein einziger Unterschied zu
späteren EDV-Anlagen war der Einsatz von elektromagnetischen Relais
statt Lampen.
Krieg
1939 versuchten Schreier und Zuse, mit ihrer Entwicklung das Interesse
des Staates zu wecken, allerdings scheiterten sie. Schreier sprach von
einer möglichen Entwicklung eines Lampenapparats, der unter anderem für
Berechnungen für die Flugabwehr geeignet sein könnte. Auf die Frage, wie
lange die Entwicklung einer solchen Maschine in Anspruch nehmen würde,
antwortete er vorsichtig: „Rund zwei Jahre“. „Zwei Jahre? Zu diesem
Zeitpunkt haben wir den Krieg schon gewonnen!“, wurde ihm entgegnet.
Der Krieg endete weder in einem noch in zwei Jahren. Nach dem Einmarsch
der deutschen Truppen in die Sowjetunion im Jahr 1941 kamen die
Wehrmachtstruppen an der Ostflanke ins Trudeln, bald danach kam es zur
Wende. 1943, mit dem Einzug der Amerikaner in den Krieg, wurde Berlin
regelmäßig bombardiert. Die Geschosse fielen auf große Unternehmen und
bewohnte Stadtviertel. Eine Bombe traf das Gebäude, wo Zuse und seine
Kollegen eine Werkstatt hatten. Z1, Z2, Z3 wurden dabei zerstört.
Islam zwang bereits unter Hitler Europa in die Knie – Führer freute sich
Etwas früher, 1942, begann Zuses Team mit der Entwicklung von
Prototyp-4, dem künftigen Z4. Er war die direkte Weiterentwicklung von
Z3, es wurden vorwiegend dieselben Technologien wie bei früheren
Modellen genutzt.
Die Z4 war auch nach dem Kriegsende gefragt. 1950 wurde der Rechner zur
ETH Zürich zur Bearbeitung von komplizierten Rechenaufgaben gebracht.
Von 1950 bis 1951 war er der einzige funktionierende Computer in Europa,
sein Konkurrent Ferranity Mark 1 war erst ein halbes Jahr später
verfügbar.
Zuse entwickelte auch die Programmiersprache Plankalkül. Während der
Arbeit an Z4 erkannte er, dass die Programmierung in Maschinensprache zu
aufwändig war, weshalb eine höhere Programmiersprache nötig sein würde.
Er entwarf „Plankalkül“, die universeller als andere Sprachen war.
Die Firma Zuse KG stellte nach dem Kriegsende sehr viele Computer her.
Nach einiger Zeit nahm sie die Produktion von Transistor- und
Lampen-EDV-Anlagen auf, 1961 wurde der Plotter Graphomat entwickelt, der
in Verbindung mit Z-Rechnern funktionierte.
Rechnender Raum
Am 6. Januar 1945 heiratete er seine Frau Gisela, mit der er später fünf
Kinder hatte. Doch Zuse war kein vorbildlicher Familienvater, er war von
seiner Arbeit besessen. Der Entwickler des ersten universellen
programmierbaren Computers in der Welt wurde in der Heimat mit
zahlreichen Preisen und Ehrentiteln ausgezeichnet. Er starb am 18.
Dezember 1995 in Hünfeld im Alter von 85 Jahren.
Seine früheren Entwicklungen, die während der Bombenangriffe vernichtet
wurden, wurden rekonstruiert. Das Modell Z1 wurde von Zuse selbst
wiederhergestellt, heute befindet es sich im Deutschen Technikmuseum
Berlin. Die Ingenieure, die zusammen mit ihm arbeiteten, ließen Z3
wiederherstellen und übergaben den Apparat an das Deutsche Museum in
München.
Nachbau der Zuse Z3 im Deutschen Museum in München
Häufig wird behauptet, dass der Computer während des Zweiten Weltkriegs
entstanden war. Im Fall Konrad Zuse ist dem nicht so. Z1 wurde vor dem
Krieg entwickelt, die Arbeit an Z3 zog sich in die Länge, weil Zuse von
1939 bis 1940 in der Armee gedient hatte und er mehrere Monate an der
Ostfront verbrachte. Das Geld für die Entwicklung dieser Maschine wurde
jedoch von den Behörden bereitgestellt (wie auch für die Entwicklung von
Z4). Die Tatsache, dass die Bezeichnung des vierten Prototyps der
Codebezeichnung der Raketen von Wernher von Braun ähnelte, half dabei,
dass Zuse Berlin verlassen und sein Projekt abschließen konnte.
In den vergangenen Jahren tauchten viele Arbeiten zum Thema auf, ob
unser Universum nur eine komplexe Nachahmung, ein Programm ist. Zuse
machte sich schon viel früher darüber Gedanken — bereits während des
Krieges. Plötzlich sei er auf die Idee gekommen, dass das Universum von
einer großen Rechenmaschine, so wie ein Relais-Rechner funktioniert, ins
Leben gerufen worden sein könnte, schrieb er in seinen Memoiren. 30
Jahre später entwickelte er die Theorie des „Rechnenden Raums“.
Dr. Konrad Zuse arbeitet an einem PC von Siemens in seinem Haus. Kassel,
BRD, 1985
Der Name Zuses wird ziemlich selten in der Presse erwähnt, über ihn
werden außerhalb Deutschlands selten Filme gedreht. Und wenn es mal dazu
kommt, werden seine Entwicklungen ungerechterweise als „erster
Nazi-Computer“ bezeichnet. Dem ist nicht so. Die ersten Rechner Zuses
wurden fast ausschließlich aus reinem Enthusiasmus entwickelt, die
Nazi-Funktionäre verstanden den Wert seiner Entwicklungen nicht.
Konrad Zuse war nie Held des Widerstandskampfes, doch er versuchte auch
nie, einen lukrativen Posten in Nazi-Deutschland zu bekommen. Die
persönliche Tragödie des Wissenschaftlers besteht darin, dass seine
früheren Entwicklungen deutlich fortgeschrittener als die der anderen
Wissenschaftler waren, die damals Rechner entwickelten. Doch außerhalb
des Landes, das auf dem Weg der Selbstzerstörung war, kannte ihn leider
fast niemand, weltbekannt wurden seine Maschinen erst einige Jahre nach
dem Kriegsende.
https://de.sputniknews.com/zeitungen/20180820322026867-konrad-zuse-computer-erfinder/