Israel gegen Iran : Im Cyberspace
herrscht Krieg An einem Krieg zwischen dem Iran und den
USA ist der Nahe Osten 2019 knapp vorbeigeschrammt. Doch im Internet
bekämpfen sich die Kontrahenten der Region schon jetzt unerbittlich.
Sommer 2019: Eine Überwachungsdrohne der
USA fällt über der Straße von Hormus vom Himmel - abgeschossen vom
Iran, der kurz danach über seine Verbündeten im Jemen - den
Huti-Rebellen - die Erdölanlagen des saudischen Erdölkonzerns Saudi
Aramco angreift. Wie lange können verfeindete Staaten am persischen
Golf mit den Säbeln rasseln, ohne dass ein bewaffneter Konflikt zu
einem Flächenbrand in der Region führt? Der Vergeltungsschlag bleibt aus. Doch
abseits solcher weithin sichtbaren Provokationen führen die USA und
vor allem Israel bereits einen geheimen Kampf gegen den Iran. In
diesem Schattenkrieg agieren sie verdeckt - israelische
Geheimdienstoperationen gegen vom Iran finanzierte Terroranschläge.
Vor allem im "Cyberwarfare", wo Staaten oder auch
Terrororganisationen gegnerische Computer und Informationsnetze
angreifen, haben Washington und Jerusalem dem Iran und seinen
Verbündeten schon vor mehr als einem Jahrzehnt den Krieg erklärt. So reagierte US-Präsident Donald Trump
durchaus auf die Angriffe durch den Iran, nur nicht physisch. Er
entschied sich statt dessen, "mit einem Cyberangriff das iranische
Raketensystem, sowie Computer ihrer Geheimdienste auszuschalten",
erklärt Roy Barzilay, Ex-Geheimdienstoffizier der Aufklärungseinheit
8200 der israelischen Streitkräfte. "Dieser folgt nicht den üblichen
Kriegsregeln und kann weitreichende Auswirkungen haben", sagt er.
Ein Luftschlag werde als Kriegserklärung angesehen. Im Gegensatz
dazu "kann ein Cyberangriff über einen Computerwurm, Virus oder
Trojaner erheblichen Schaden anrichten, ohne dass der unmittelbare
Vorwand für den Ausbruch eines tatsächlichen physischen Krieges
besteht".
Ein Computerwurm lähmt das Atomprogramm Den Aktionen gegen den Iran gingen Jahre
eines Cyberwettrüstens während des Kalten Krieges unter den
Weltmächten voraus. Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es solche
Angriffe, hauptsächlich zu Spionagezwecken, jedoch haben sie auch
das Potenzial zur physischen Zerstörung. Experten gehen davon aus,
dass die Nationale Sicherheitsagentur NSA aus den USA und die
israelische Einheit 8200 im Jahre 2010 die erste größere
Cyberoffensive über den Computerwurm Stuxnet durchführten. Hunderte
von Zentrifugen in einer Urananreicherungsanlage in der iranischen
Stadt Natanz setzte Stuxnet damals außer Gefecht. Der Anschlag warf
Irans Atomprogramm um mehrere Jahre zurück. "Durch seine hoch
entwickelten Angriffs- und Verteidigungs-Tools gehört Israel zu den
weltweit führenden Nationen im Cyberwarfare," sagt Barzilay. "Seine
Soldaten sind die Augen und Ohren des Landes."
Seid der Gründung Israels 1948 war die
Technologie ein wichtiger Teil seines Sicherheitskonzeptes. Die
arabischen Gegner sind bevölkerungsreicher und besser ausgestattet.
Um dennoch einen Vorsprung in der Rüstung zu erreichen, gründete der
Militärgeheimdienst 1952 die Aufklärungseinheit 8200. "Heute ist
unsere Einheit viel professioneller und in mehrere Abteilungen und
Stützpunkte unterteilt, sodass die Teams die Aufgaben der anderen
nicht kennen," erklärt Oberst Omri Hoffmann. Der junge Offizier ist
seit sechs Jahren Teil dieser Einheit und rekrutiert die
talentiertesten Köpfe des Landes.
Ausspionieren und attackieren - per
Computer Die operative Tätigkeit von 8200 ist das
Ausspionieren von Feindstaaten und Terroristen, was als "passiver
Cyberangriff" gilt. Bei einem "aktiven Cyberangriff" dagegen
versuchen die Einheiten, die Ressourcen der gegnerischen
Militäranlagen und Wirtschaftszweige zu verändern oder zu
beeinträchtigen. 2017 halfen ihre Informationen, einen Anschlag auf
einen Flughafen in Australien zu vereiteln. Mehrere Terroristen der
Terrormiliz "Islamischer Staat" wurden festgenommen. Nirgendwo werden die Entwicklungen in
Feindesländern so ausgespäht wie durch israelische
Aufklärungseinheiten. Laut François-Bernard Huyghe vom französischen
Institut für internationale und strategische Angelegenheiten IRIS
ist die Frühwarnung vor solchen Gefahren fester Bestandteil von
Israels Sicherheitskonzept. "Seit der islamischen Revolution von
1979 gehört die Vernichtung Israels zur iranischen Staatsräson, und
der Judenstaat nimmt diese Bedrohung sehr ernst."
In den letzten Jahren hat sich der
Cyberkrieg als neue technologische Herausforderung zu einer
ernsthaften Gefahr für die lebenswichtige Infrastruktur Israels
entwickelt. Das gilt für zivile und militärische Sicherheit. "Um
darauf zu reagieren, musste Jerusalem bestimmte Aspekte seines
Sicherheitskonzepts überarbeiten, um die Cyberüberlegenheit als
untrennbaren Teil seiner Militärdoktrin sicherzustellen," erklärt
der Wissenschaftler. Tag und Nacht greift der Iran an Doch laut dem Institut für Nationale
Sicherheitsstudien in Tel Aviv ist auch der Iran "eine der führenden
Cyberwarfare-Nationen". "Teheran versucht israelische Computer -
sowohl der Zivilbevölkerung als auch des Militärs und Geheimdienstes
- Tag und Nacht anzugreifen und versendet ständig Trojaner", sagt
Geheimdienstexperte Jossi Melman. Da Israels Versorgungsnetze für
Energie, Wasser, Kommunikation und Verkehr sowie auch seine
Wirtschaft stark digitalisiert sind, gelten sie als gefährdet.
Laut Melman verfügt der Iran über eine
gut ausgebaute Infrastruktur mit sowohl defensiven als auch
offensiven Cyberfähigkeiten. Neben Israel seien seine
Hauptangriffsziele Saudi-Arabien und die USA. "Der Iran hilft mit
Technologie und Wissen auch seinen Verbündeten, wie der
libanesischen Hisbollah," sagt er. "Doch auch Israel ist auf diesem
Gebiet hoch entwickelt. Die Einheit 8200 ist an den meisten
Operationen - wie in Gaza oder Syrien - mit nachrichtendienstlicher
Berichterstattung beteiligt und hilft den Kampfsoldaten im
taktischen, operativen und strategischen Bereich."
Der ehemalige Geheimdienstoffizier Roy
Barzilay vergleicht das neue Schlachtfeld mit dem Abwurf der
Atombombe auf Hiroshima. Aus seiner Sicht war der Computerwurm
Stuxnet die Öffnung der "Büchse der Pandora". Tatsächlich haben
seitdem die Großmächte, insbesondere die USA und Russland, ihre
offensiven Cyberkriegsfähigkeiten enorm verbessert und könnten heute
ein ganzes Land lähmen. Aber nicht nur die: Auch andere Gruppen -
wie etwa Terroristen - können Cyberattacken als potenzielle Waffe
verwenden. "Cyberangriffe sind nicht mehr selten", sagt Barzilay.
Heute gebe es viele Attacken auf physische Infrastrukturen. "Der
Krieg mit digitalen Mitteln ist Teil der Welt, in der wir jetzt
leben."