Das Müllproblem im Weltraum
ImageDie Simulation der Technischen Universität Braunschweig von 2013
für die ESA zeigt, wie viele Teile im All herumschweben.(Foto: picture
alliance / dpa)
Dienstag, 18. April 2017
Das Müllproblem im Weltraum
Experte sagt mehr Kollisionen im All voraus
Im All herumfliegende Trümmerteile können für viele Branchen ein großes
Problem darstellen. Wie gefährlich der Schrott sein kann und wie man in
Zukunft damit umgehen will, diskutieren Experten derzeit in Darmstadt.
Weltraumschrott ist gefährlich. Ausgediente Satelliten, Raketenreste und
die millionenfache Zahl kleiner Trümmerteile - all das kann enormen
Schaden anrichten, Satelliten erheblich beschädigen oder sogar
zerstören. "In Zukunft werden wir es mit mehr Kollisionen zu tun haben",
sagt Holger Krag. Der 43-Jährige ist bei der Europäischen
Raumfahrtagentur Esa Leiter des Büros für Weltraumtrümmer. "Die
kritische Höhe über dem Boden ist die zwischen 800 und 1000 Kilometer.
Da ist die Überfüllung schon sehr groß."
Entstanden ist der Schrott im All größtenteils aufgrund von mehr als 250
Explosionen. Etwa 18.000 Trümmerteile sind groß genug, um von
Erfassungssystemen überwacht zu werden. Gefährlich sind aber auch schon
kleinere Teile. Insgesamt gibt es Schätzungen zufolge über 750.000
Objekte zwischen einem und zehn Zentimetern Durchmesser. Sie können bei
einem Aufprall mit einer Geschwindigkeit von 40.000 km/h die Wucht einer
Handgranatenexplosion auslösen.
Eine internationale Konferenz der Esa will im Satellitenkontrollzentrum
in Darmstadt nach Lösungen suchen. Das viertägige Treffen (18. bis 21.
April) gilt als das weltweit größte und wichtigste zum Thema
Weltraumschrott. Rund 400 Teilnehmer werden erwartet: Darunter
Ingenieure, Wissenschaftler, Manager, Vertreter von Industrieunternehmen
und Hochschulen sowie Entscheidungsträger aus allen wichtigen
Raumfahrtnationen.
Nicht alle können kommen
Das Interesse bei dem inzwischen siebten Treffen dieser Art ist so groß,
dass nicht alle Anfragen zur Teilnahme berücksichtigt werden konnten.
Die Veranstaltung gibt es seit 1993 alle vier Jahre. Verpflichtende
Regeln werden allerdings keine beschlossen. "Wir werden unser Wissen
zusammentragen", meint Krag. Er ist der Vorsitzende der Konferenz.
Das Thema Weltraumschrott könnte sich viel schneller als erwartet noch
wesentlich verschärfen. In absehbarer Zeit dürften deutlich mehr Raketen
und Satelliten ins All geschossen werden als bisher - wenn nicht nur
etablierte Raumfahrtagenturen, sondern auch Unternehmen im großen Stil
im All mitmischen wollen. Zum Beispiel, um auch dem letzten Winkel der
Erde schnelles Internet anzubieten oder es professionellen Nutzern zu
ermöglichen, Daten mit Hilfe von Punkt-zu-Punkt-Stationen über weite
Strecken zu transportieren.
"Solche Mega-Konstellationen sind eines der Top-Themen bei unserer
Konferenz über Weltraumschrott", sagt Manuel Metz vom Deutschen Zentrum
für Luft- und Raumfahrt (DLR). Einen solchen Raumfahrtboom "hatte vor
vier Jahren noch niemand auf dem Schirm", sagt der 40-Jährige. "Einige
Firmen planen solche Missionen 2018 und 2019. Sie stehen kurz vor der
Tür.
Kostengünstiger Weltraum ist möglich."
Auch Krag macht sich über die neuen Projekte etwa von Samsung oder
Google Gedanken. Für einige werde "eine Vielzahl von Satelliten
gebraucht. Wir sprechen von mehreren Tausend pro Mission." Ein
Vergleich: "In der gesamten Geschichte der Raumfahrt wurden bisher rund
7000 Satelliten gestartet."
Auch Kettenreaktion ist möglich
Als Schrecken-Szenario scheint Fachleuten auch das nach dem US-Experten
Donald Kessler benannte Kessler-Syndrom möglich. Bezeichnet wird damit
eine unkalkulierbare Kettenreaktion durch Kollisionen, die die Raumfahrt
lahmlegen könnte: Trümmerteile stoßen gegeneinander und erzeugen noch
mehr Trümmerteile. "Wir sollten alles tun, um das Kessler-Syndrom zu
verhindern", sagt der Ingenieur Carsten Wiedemann vom Institut für
Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig. Er arbeitet mit der Esa zusammen.
Im Kampf gegen Weltraumschrott gibt es bereits mehrere Ansätze. "Das
Wichtigste wäre das gezielte Wiedereinbringen der Objekte in die
Erdatmosphäre und das Verglühen über dem Pazifischen Ozean", meint
Wiedemann. Bedeutend für die Entsorgung sei, dass man einen Satelliten
noch unter Kontrolle habe, sagte Krag. Ein Zurückholen eines verlorenen
Satelliten etwa mit einem Greifarm sei eine "gewaltige Herausforderung"
und auch noch Zukunftsmusik. Dass uns Weltraumschrott unkontrolliert auf
den Kopf fallen könnte, ist laut Krag "ein wirklich kleines Problem".
Immerhin seien drei Viertel der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt, viele
Landgegenden "nicht stark besiedelt". Theoretisch existiere es zwar
schon. "Die Wahrscheinlichkeit ist aber sehr klein."
Quelle: n-tv.de , Joachim Baier, dpa
http://www.n-tv.de/wissen/Experte-sagt-mehr-Kollisionen-im-All-voraus-article19797338htmll