Samstag, 24. März 20122012-03-24 15:22:14
Bats' superschneller BörsentodHochfrequenzhandel im Visier
Die drittgrößte Handelsplattform Bats vermasselt ihr Börsendebüt
komplett. Der Marktbetreiber muss sich noch am selben Tag wieder vom
Parkett verabschieden. Binnen Stunden verkommt die Aktie zum Pennystock.
Den Todesstoß versetzt ein Softwarefehler. Das Börsenfiasko ruft die
Kritiker des superschnellen Computerhandels auf den Plan.
Dammbruch beim Hochfrequenzhandel: Hire ist die Börsenaufsicht SEC
gefordert. (Foto: REUTERS)
In den USA hat eine elektronische Handelsplattform ihren Börsengang
vermasselt und die Zweifel am superschnellen Computerhandel bestärkt.
Nach einer Serie von technischen Pannen musste die drittgrößte US-Börse
Bats Global Markets die Notbremse ziehen und sich am Tag ihres
Marktdebüts wieder aus dem Handel verabschieden. Die Bats-Aktie stürzte
vom Ausgabepreis von 16 US-Dollar auf weniger als einen Penny ab.
Entnervte Händler fühlten sich an den "Flash Crash" im Mai 2010
erinnert, als an der New Yorker Wall Street binnen weniger Minuten fast
eine Billion US-Dollar an Marktwert verschwanden.
BAT 42,25
Der desaströse Verlauf des Tags war für Bats am Freitagmorgen zwar noch
nicht absehbar. Doch bereits in der Frühstückslektüre fanden sich für
den Jäger etablierter Börsenbetreiber wie Nyse Euronext und Nasdaq OMX
schlechte Nachrichten: Das "Wall Street Journal" berichtete auf der
Titelseite, Bats sei in eine Untersuchung der US-Börsenaufsicht zum
Hochfrequenzhandel verwickelt. Unter Händlern war damit der Ton gesetzt,
auch wenn das Vorhaben seit Monaten bekannt war. Kritiker des Angreifers
aus Kansas fühlten sich bestärkt.
Tod im Sekundentakt
Bereits zur Handelseröffnung knickte die Aktie auf 15,25 US-Dollar ein
und geriet kurz darauf völlig unter die Räder. Diverse Transaktionen
mussten storniert werden. Kurz nach 10.45 Uhr - so die Darstellung von
Bats - griff ein Softwarefehler auf alle Papiere mit Aktiensymbolen von
A bis BFZZZ über. Die Bats-Aktie geriet in einen Abwärtsstrudel, an
dessen Ende der völlige Handelsabbruch stand. An der Börse herrschte
Chaos: Auch Apple konnte nicht mehr gehandelt werden
Dabei ging es für das 2005 gegründete Unternehmen nicht nur um den
eigenen Börsengang. Es war auch der erste IPO überhaupt auf der
Plattform. So dauerte es nicht lange, bis Experten Zweifel an der
Kompetenz des Börsenbetreibers äußerten: "Ich denke, dass einige Firmen
nun sagen könnten: Wenn sie ihren eigenen IPO nicht auf die Reihe
kriegen, wie wollen sie es dann bei anderen Unternehmen schaffen?",
sagte etwa Dennis Dick von Bright Trading LLC. Jason Weisberg von
Seaport Securities stieß ins gleiche Horn: "Das Letzte, was man als
börsennotiertes Unternehmen tun sollte, ist seinen eigenen IPO zu
vermasseln."
Tausende Verkäufe in einer Sekunde
Kritikern des superschnellen Computerhandels spült das Bats-Fiasko
Wasser auf die Mühlen. Beim so genannten Hochfrequenz-Handel (HFT)
kaufen oder verkaufen Computerprogramme auf Grundlage komplizierter
mathematischer Algorithmen innerhalb einer Sekunde Tausende Male
Wertpapiere. Dadurch summieren sich selbst Kursveränderungen mehrere
Stellen hinter dem Komma zu erklecklichen Gewinnen. HFT gilt als
mitverantwortlich für die immer drastischeren Kursspitzen der
vergangenen Jahre.
Politik und Regulierer bemühen sich um eine Beschränkung des Handels,
davor warnen wieder andere: Mit der Eindämmung des HFT gehen nach dieser
Einschätzung die Kursschwankungen nicht zwangsläufig zurück. Mit ihren
ständigen Käufe und Verkäufe halten Hochfrequenz-Händler einen Markt
liquide. Fällt diese Gruppe aus, können Investoren Schwierigkeiten
bekommen, ihre Papiere zu einem angemessenen Preis zu Geld zu machen
oder in den Markt einzusteigen.
Bats wollte sich für Wettbewerb wappnen
Die Plattform wurde vor wenigen Jahren von großen Banken und
Handelsfirmen gegründet, um die Vormachtstellung von Nyse und Nasdaq zu
brechen. Ihr Erfolg zwang die traditionellen Börsen, technisch
gleichfalls aufzurüsten und Geschäfte im Millisekunden-Takt zu
ermöglichen. Die Branche steht weltweit unter Druck, sich wegen
sinkender Preise neue Geldquellen zu erschließen oder mit Hilfe von
Übernahmen oder Fusionen zu wachsen. Das gelingt nicht immer: Der
geplante Zusammenschluss von Deutscher Börse und Nyse Euronext
scheiterte am Nein der EU-Kommission.
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Auch die in Kansas ansässige BATS folgt der Strategie, sich durch den
Kauf von Rivalen breiter aufzustellen. Im November genehmigten die
britischen Behörden die Übernahme von Wettbewerber Chi-X Europe für 300
Mio. US-Dollar. Die beiden zusammen kamen damals im europäischen
Aktienhandel auf einen Marktanteil von ungefähr 25 Prozent. Dem
Börsenprospekt zufolge hatte BATS im vergangenen Jahr einen Anteil von
gut elf Prozent am US-Aktienhandel und rund drei Prozent am Markt für
Aktienoptionen.
Das Fiasko dürfte die Beteiligten teuer zu stehen bekommen: Wenn Bats
seinen Börsengang rückgängig macht, haben Investoren Anspruch auf rund
100 Mio. US-Dollar, die durch den Verkauf der Aktien an die Banken und
andere Anteilseigner geflossen sind. Auf dem Spiel stehen zudem
Millionen an Gebühren für Institute, die den Börsengang begleiten.