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16:06 28.12.2020
© AFP 2020 / FABRICE COFFRINIDas Zeichen des Schweizer Verschlüsselungsunternehmens Crypto AG am Hauptsitz in Steinh
Die Bundesstaatsanwaltschaft hat entschieden: Das
Strafverfahren gegen die Crypto AG wird eingestellt. Die Nachfolgefirmen
dürfen Chiffriergeräte und -module weiterhin exportieren. Die
Crypto-Affäre stellt eine der größten geheimdienstlichen Operationen
nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges dar.
Die Schweizer Bundesstaatanwaltschaft beschloss,
die Untersuchungen gegen die Crypto AG im Kanton Zug wegen vermuteter
Verstöße gegen das Exportkontrollrecht einzustellen. Das Schweizer
Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hatte im Februar eine
Strafanzeige erstellt. Hätte es von der Manipulation der Chiffriergeräte
gewusst, so hätte es nie den Export der Geräte erlaubt, lautete der
Standpunkt des Seco. Die Schweizer Zeitung „Tages-Anzeiger“ schreibt,
dass aufgrund abgeschwächter Verschlüsselungsalgorithmen der
Chiffriergeräte, westliche Geheimdienste die Nachrichten entziffern
konnten.
Was ist die Crypto-AG
Zurückzuführen ist die Firma auf das Jahr 1962, wo
es vom Schweden Boris Hagelin gegründet wurde. Auch in Schweden besaß
der Gründer ein Unternehmen, namentlich die A.B. Cryptoteknik. Er
handelte schon damals mit selberentwickelten Chiffriermaschinen – diese
wurden jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg in Schweden verboten. Grund
dafür war einerseits die Neutralität des Landes, wie auch der Fakt, dass
Chiffriergeräte als Rüstungsgüter angesehen wurden.
Anders war die Situation in der Schweiz, in der
laut dem Schweizer Informations- und Nachrichtenportal „Swissinfo“ der
Begriff der Neutralität bewusst „schwammig“ gehalten wurde. So war die
Neutralitätspolitik in der Schweiz für Hagelin günstig, um seine
Produkte dort zu entwickeln.
Ein großes Interesse galt dem Export der
Chiffriergeräte in die USA. Auf der Suche nach Geldgebern in der
Schweiz, fand Hagelin den Kryptologen William F. Friedemann, welcher ihn
verpflichtete, in amerikanischen Interessen zu handeln. Als Gegenzug
erhielt Hagelin eine Garantie, dass er keine Exportbeschränkungen für
seine Produkte in die USA zu befürchten brauche.
1970 zog sich Boris Hagelin aus seiner Firma zurück
und die Crypto AG wurde über Mittelsmänner von der CIA und dem deutschen
Auslands-Nachrichtendienst (BND) gekauft. Der Kaufpreis von 8,5
Millionen Franken (7,82 Mio. Euro) wäre nach heutigem Kurs ungefähr 35
Millionen Franken (32,23 Mio. Euro) wert. Indem die Firma von
Geheimdiensten gekauft wurde, konnten diese nun direkte Anweisungen an
den Entwickler geben. Bekannt wurde dieser Geheimdienst-Coup als
„Operation Minerva“, und sie stellt die größte geheimdienstliche
Operation nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Somit konnten die
Nachrichtendienste Informationen aus über 100 Ländern sammeln.
Große Kritik gab es in einem internationalen
Kontext bisher nicht. Einzig in den USA und Deutschland wurde die
sogenannte Crypto-Affäre medial aufgearbeitet. Auch das Schweizer
Parlament habe Anfang November 2020 einen Bericht zu den Vorgängen
veröffentlicht. Darin steht, dass die Operation nach damalig legalen
Rechtsgrundlagen stattgefunden habe. Dennoch steht in dem Bericht auch,
dass sich die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments über die
Strafuntersuchungen der Bundesanwaltschaft ärgere.
Die Bundesstaatsanwaltschaft schließt sich nun dem
Bericht der Delegation des Parlaments an. Personen können von „der
Rechtmäßigkeit der nachrichtendienstlichen Akitvitäten ausgehen, wenn
sie die Exportgenehmigung für die manipulierten Geräte beantragen.“ Dies
schrieb die Bundesanwaltschaft in ihrer Einstellungsverfügung.
Neutralität erschüttert?
Die Veröffentlichung dieser Affäre wirft natürlich
Fragen über die Rolle der Schweizer Neutralität auf. “Ein dauerhaft
neutraler Staat darf in einem Konflikt zwischen zwei Staaten nicht als
quasi automatisch Verbündeter eines anderen Staates erscheinen, und die
Schweiz war hier Handlanger amerikanischen Ausspionierens potenzieller
Kriegsgegner“, zitiert „Swissinfo“ den Völkerrechtler Oliver Diggelmann.
Aus dem Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation des
Bundes sei jedoch zu entnehmen, dass die Schweiz bereit 1993 von der
Crypto-Affäre erfuhr. Auch wenn es bereits früher vermutet wurde, so
konnte es bis 2020 nicht vollkommen bewiesen werden. Auch vermuten
Geheimdienst-Experten, dass der Schweizer Geheimdienst durchaus früher
von der Zuger Firma Bescheid wusste, jedoch seine schützende Hand
darüber hielt. So exportierte die Crypto AG bis 2018 weiterhin
Chiffriergeräte, welche von der CIA entziffert werden konnten.
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Deutschland
Strafuntersuchung eingestellt: Crypto-Affäre ohne Konsequenzen? -
28.12.2020, SNA (snanews.de)
https://snanews.de/20201228/strafuntersuchung-crypto-affaere-314699.html