"Computer per Gedanken steuern"
"Computer per Gedanken steuern"
Was die neue Quantenwelt verspricht
csm_osq_lab_42_77c8ec6113.jpg
Blick ins Innere des Quantencomputers am Forschungszentrum Jülich.
(Foto: FZ Jülich/Ralf-Uwe Limbach)
Sie sollen das Informations-Zeitalter auf ein neues Level heben: Qubits.
Die winzigen Einheiten sind das Herz von Quantencomputern und zugleich
vielseitig anwendbar. Auch in Deutschland tüftelt man an der neuen
Technik. Die Möglichkeiten scheinen vielversprechend.
Die Liste der erhofften Wunder ist lang: Ein Sensor, der Grundwasser vom
Orbit aus aufspürt. Eine Kappe, die Gedanken liest. Ein Computer, der
eine Aufgabe binnen Minuten löst, für die selbst die größten
Superrechner Jahrzehnte bräuchten. Das alles soll künftig dank der
Quantentechnologie möglich werden. Sie hat das Zeug dazu, den Alltag
umzuwälzen, da sind sich Experten einig.
Das menschliche Vorstellungsvermögen gerät schnell an seine Grenzen,
wenn es um Effekte aus der Quantenphysik geht. Und doch: Physiker können
in ihren Labors einzelne Atome, Elektronen oder Lichtteilchen so präzise
kontrollieren, dass darauf superschnelle Rechner, extrem präzise
Sensoren und sichere Kommunikationswege aufgebaut werden können.
Das ehrgeizigste Ziel ist der Quantencomputer. Er soll alles können, was
ein normaler Rechner kann - nur sehr viel schneller. Seine Stärke
erwächst aus dem "Qubit". Heutige Computer nutzen als kleinste
Recheneinheit das sogenannte Bit. Dieses kann jeweils nur den Wert 0 und
1 haben. Das Qubit hingegen nutzt die sogenannte Superposition und
rechnet mit beiden Werten simultan.
Google gelingt wichtiger Beweis
Mit jedem weiteren Qubit verdoppelt sich die Zahl der parallel
verarbeitbaren Daten. Mit ein paar Hundert Qubits ist diese Zahl schon
größer als die Anzahl der Atome im Universum. Dass die Wundermaschine
wirklich fix rechnet, bewies Google im vergangenen Jahr. Sein
Quantenchip löste eine Aufgabe in wenigen Minuten, für die ein
Superrechner Jahrtausende gebraucht hätte - und das mit nur 53 Qubits.
Einen praktischen Nutzen hatte die Rechenaufgabe zwar nicht, aber das
soll sich ändern: Denkbare Einsatzgebiete für künftige Quantenrechner
liegen zum Beispiel darin, optimale Lösungen in einem Heuhaufen an
Möglichkeiten zu finden oder neue Algorithmen in der künstlichen
Intelligenz zu ermöglichen, die viel schneller lernen.
Am Forschungszentrum Jülich entsteht derzeit ein Computer im Rahmen des
Projekts OpenSuperQ - der erste dieser Art in Europa. "Wir testen gerade
einen sehr einfachen Quantenchip mit zwei Qubits", erklärt David
DiVincenzo, Direktor des Bereichs Theoretische Nanoelektronik des Peter
Grünberg Instituts am FZ Jülich. Warum nur zwei Qubits, wenn der
Google-Rechner schon bei 53 ist? Europa will sich die Technologie selbst
erarbeiten und muss daher bei null anfangen, will aber schnell aufholen.
Ein zusätzlicher Chip mit sieben Qubits soll bald eingebaut werden.
Weitere werden folgen.
Neue Materialien schneller entwickeln
"Wir brauchen noch einige Jahre, bis wir mit dieser Maschine einen
Quantenvorteil erlangen können", sagt David DiVincenzo. Mit
"Quantenvorteil" meint er erste nutzbringende Anwendungen - konkret: Mit
rund 100 Qubits wollen die Forscher mit OpenSuperQ vor allem chemische
Verbindungen und deren Reaktionen simulieren - und zwar rascher und
genauer als jeder Supercomputer. Industrieunternehmen wie Merck oder
BASF sondieren schon, wie sie mit Quantenrechnern schneller neue
Wirkstoffe oder bessere Materialien, etwa mit höherer Festigkeit,
entwickeln können.
Die Qubits allerdings lassen sich nicht gut bändigen. Das Hauptproblem
für die Wissenschaftler: Nach Sekundenbruchteilen verlieren Qubits ihre
Fähigkeit, Werte simultan zu speichern. Denn Quanten sind sehr
empfindlich und können leicht gestört werden, sodass die Superposition
zusammenbricht und Rechenfehler passieren.
Deswegen müssen die Qubits in großen Kühlapparaten so gut wie möglich
von der Außenwelt abgeschirmt und stabilisiert werden. Doch das ist
aufwendig und gelingt nur begrenzt. Wenn die Qubits stabiler wären,
ließen sie sich zu Zehntausenden verknüpfen, so die Hoffnung der
Forscher. Und das ist die Zahl von Qubits, die nach Expertenschätzung
für einen "richtigen", universell einsetzbaren Quantencomputer nötig
sein wird.
Mini-Sensoren könnten Tumore kartieren
Dass Qubits solche Mimosen sind, lässt sich auch nutzen: für besonders
empfindliche, genaue und miniaturisierte Sensoren - ein weiteres Ziel
der Quantentechnologie. Wegen ihrer geringen Größe können Atome an
unzugänglichen Orten eingesetzt werden, selbst im Körperinneren. Dort
könnten spezielle Sensoren, die auf der Quantentechnologie basieren,
genutzt werden, um beispielsweise Tumore zu kartieren. Der große
Vorteil: Alle Teilchen einer Art sind identisch und reagieren auf
gleiche Reize gleich. Ein "Quantensensor" spart daher die regelmäßige
Eichung, die Natur justiert ihn.
Arne Wickenbrock vom Helmholtz-Institut Mainz nutzt Stickstoffatome als
Sensoren, die in einen Diamanten eingebettet sind. Das Atom verhält sich
wie eine Kompassnadel, die auf winzige Magnetfelder reagiert. "Bezogen
auf sein Volumen hat dieser Sensor die weltweit größte Empfindlichkeit",
sagt der Physiker. Die Hülle aus Diamant schirmt ihn gegen störende
Umwelteinflüsse ab, sodass er auch im menschlichen Körper funktionieren
würde.
"Man könnte sogar Gehirnströme genau genug messen, um Computer per
Gedanken zu steuern", nennt Arne Wickenbrock eine weitere Vision. Und:
Weil sich die Orientierung der atomaren Kompassnadel präzise bestimmen
lässt, will sein Forscherteam damit millimetergenaue Navigationsgeräte
ermöglichen. Sie könnten beispielsweise autonome Autos auch dann in der
Spur halten, wenn der Kontakt zum Satelliten abreißt - im Tunnel etwa.
Grundwasserspiegel aus dem All ermitteln
Den Gipfel an Präzision erreichen Quantensensoren wohl bei der Messung
der Schwerkraft. Atome als Gravitationssensoren sind empfindlich genug,
um selbst aus dem All eine Veränderung des Grundwasserspiegels zu
erkennen, davon sind Wissenschaftler überzeugt. Der Sensor arbeitet mit
der Wellennatur, die Atome gemäß Quantenphysik haben. Die Wellenlänge
der Teilchen ist 10.000-mal kleiner als die von Licht. Die Welle wirkt,
grob gesagt, wie ein äußerst feiner Zollstock, mit dem sich die Länge
des Weges bestimmen lässt, den ein Atom nimmt. Feinste Unterschiede in
der Schwerkraft ändern die Weglänge, die frei fallende Atome in einer
bestimmten Zeit zurücklegen. So lassen sich minimale Unterschiede in der
Gravitation bestimmen.
"Wir entwickeln einen gravimetrischen Quantensensor, der zehnmal genauer
ist als die besten derzeit verfügbaren Sensoren", sagt Wolfgang Ertmer
vom Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Rein rechnerisch könnte man
damit die Schwerkraft, die von einem menschlichen Körper ausgeht, noch
in einem Kilometer Abstand messen.
Diese Präzision biete faszinierende Möglichkeiten, so der Physiker, etwa
die Untersuchung des Innern des Planeten Mars. Denn unterschiedliche
Materialien unter der Planetenoberfläche wirken sich auf die örtliche
Schwerkraft aus. Noch interessanter aber findet er die Chance, offene
Rätsel der Physik zu lösen, etwa ob die Gesetze der Schwerkraft für
äußerst kleine Massen noch gelten. Dieses Wissen könnte dabei helfen,
eine Lücke zu schließen, die schon lange im physikalischen Weltbild
klafft: Bislang gelang es nicht, Quantenphysik und Einsteins Theorie der
Gravitation zu vereinen. Wenn zwei Modelle unter einen Hut kommen,
ergeben sich oft ganz neue Einsichten. Somit könnte die
Quantentechnologie nicht nur den Alltag verändern, sondern auch das
Weltbild.
Weiterlesen: Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin "Helmholtz
Perspektiven" und auf helmholtz.de.
https://www.n-tv.de/wissen/Helmholtz/Was-die-neue-Quantenwelt-verspricht-article22013619.html
Es dauert noch einige Zeit ...
Träume ...
Innovationen...
Realisierung... ?
Sie haben noch keine Quanten-computer entwickelt, aber Sie wollen diese
bereits mit "Gedanken" steuern