Regelmäßig fordern Politik und Behörden nach Anschlägen einen
Generalschlüssel zu Messenger-Diensten.
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Ein Bericht erregt Aufsehen, wonach die EU im Hauruckverfahren ein
Verbot sicherer Verschlüsselung für Messenger-Dienste durchsetzen will.
Laut Bundesinnenministerium will man aber nur mit den Anbietern nach
Lösungen suchen, die möglichst wenig in die Verschlüsselungssysteme
eingreifen.
Laut dem ORF-Radiosender FM4 dient der Terroranschlag in Wien im
EU-Ministerrat als Vorwand, um ein Verbot sicherer Verschlüsselung für
Whatsapp, Telegram und andere Messenger-Dienste im Eilverfahren
durchzudrücken. Dies gehe aus einem mit 6. November datierten internen
Dokument der deutschen Ratspräsidentschaft an die Delegationen der
Mitgliedsstaaten im Rat hervor, das dem ORF vorliege. Der Beschluss sei
bereits so weit fortgeschritten, dass er in der Videotagung der Innen-
und Justizminister Anfang Dezember ohne weitere Diskussion verabschiedet
werden könne, berichtet FM4.
Tatsächlich hatte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im Auftrag der
EU-Staaten einen Resolutionsentwurf zum Umgang mit Verschlüsselung
ausgearbeitet, bestätigt das Bundesinnenministerium. Ziel sei jedoch
zunächst nur ein "dauerhafter Dialog mit der Industrie" über
Lösungsvorschläge, die "einen möglichst geringen Eingriff in die
Verschlüsselungssysteme darstellen". Der Resolutionsentwurf enthalte
keine Lösungsvorschläge oder Forderungen nach Schwächung von
Verschlüsselungssystemen.
Union fordert schnellen Zugriff
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) geht das nicht weit genug. Er
verlangt mit drastischen Worten mehr Ermittlerbefugnisse. "Die
Sicherheitsbehörden müssen schnellstmöglich alle verfügbaren Mittel an
die Hand bekommen, um menschliche Sprengsätze rechtzeitig zu
entschärfen", sagt er. Das im Kabinett beschlossene
Verfassungsschutzgesetz müsse schnell in den Bundestag, "damit unsere
Ermittler diese verschlüsselte Kommunikation auswerten können".
"Die islamistischen Anschläge und Morde in Dresden, Nizza und Wien rufen
uns leider wieder ins Gedächtnis, wie angespannt die Sicherheitslage
ist", sagt Brinkhaus. Derzeit zählten die deutschen Nachrichtendienste
rund 620 islamistische Gefährder. "Das ist erschreckend, und das ist
nichts, was wir einfach hinnehmen dürfen." Als Gefährder bezeichnen die
Behörden Menschen, denen sie politisch motivierte Gewalttaten bis hin zu
einem Terroranschlag zutrauen.
"Maßnahme wäre ein Irrtum"
Die FDP-Europapolitikerin Nicola Beer warnt vor schnellen Rezepten gegen
den Terror und zählt dazu auch die Debatte über das mögliche
Verschlüsselungsverbot. "Die Maßnahme wäre ein Irrtum", sagt die
Vizepräsidentin des Europaparlaments. "Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
ist in einer digitalen Welt Kern geschützter Kommunikation zwischen
Bürgern, die wir nicht leichtfertig aufbrechen dürfen." Terroristen
würden sich nach einem Verbot andere Wege suchen, etwa getarnt über
Videospiele.
Beer fordert stattdessen einen besser abgestimmten Zugriff der Fahnder
auf Daten der Polizeibehörde Europol, eine besser ausgestattete Polizei
und Justiz sowie ein konsequentes Vorgehen gegen die ausländische
Finanzierung "religiös getarnter extremistischer Aktivitäten".
Muslimische Religionslehrer seien in Europa auszubilden. Extremistisch
auffällige Personen müssten erfasst und abgeschoben werden, sagt Beer.
https://www.n-tv.de/technik/EU-will-Verschluesselung-umgehen-article22158978.html