"Staatstrojaner": Justizminister will Spionagesoftware für Terrorermittler
Markus Sulzbache r25. März 2016, 09:04
Nach Terror in Brüssel – Sprecherin: "Die Ermittler sagen uns, dass sie
das ganz dringend brauchen"
Als die Pläne erstmals an die Öffentlichkeit gelangen, hagelte es Kritik
von vielen Seiten. Trotzdem arbeitet Justizminister Wolfgang
Brandstetter (ÖVP) weiter daran, im Sinne der Terrorprävention
verschlüsselte Internetkommunikation mithilfe von Spionagesoftware
überwachen zu können. Die Anschläge von Brüssel lassen die Diskussion
nun neu aufflammen. "Die Ermittler sagen uns, dass sie das ganz dringend
brauchen", sagte Katharina Holzinger, Sprecherin des Ministers, zum
STANDARD.
"Staatstrojaner" gegen starke Verschlüsselung
Mit dieser von Kritikern als "Staatstrojaner" bezeichneten Software will
man primär Internetkommunikation via Whatsapp überwachen. Tatsächlich
zeigte sich in Prozessen gegen Jihadisten, dass diese oftmals den
populären Kurzmitteilungsdienst nutzen, um mit ihrem Umfeld in Kontakt
zu bleiben. Die Nachrichten können allerdings nicht direkt von Behörden
mitgelesen werden, da Whatsapp seinen Nutzern starke Verschlüsselung
bietet.
Diese Barriere kann jedoch umgangen werden, indem ein Spionageprogramm
direkt auf das Handy installiert wird – und fortan jeden Mucks auf dem
Handy an Ermittler weiterleitet. Die Software soll aber nicht mittels
"externen Hackerangriffs" installiert werden, wie ein Fahnder dem
STANDARD erklärt. Stattdessen könnte das Programm etwa in Zuge einer
Hausdurchsuchung den Verdächtigen untergejubelt werden. Eine Methode,
die auch in manchen Europäischen Ländern bereits seit Jahren zum Einsatz
kommt. Die NSA hingegen nutzt Hackermethoden, um ihre Schnüffelprogramme
auch über das Internet auf Smartphones zu installieren.
Nur bei Mord oder Terrorismus
Seitens des Justizministeriums betont man, man wisse, dass der Einsatz
eines solchen Programms einen starken Eingriff in Grundrechte darstelle.
Dementsprechend arbeitet man derzeit an einer grundrechtekonformen
Lösung, die schon bald der Öffentlichkeit präsentiert werden könnte.
Demnach soll das Spionagewerkzeug nur bei Delikten mit einem Strafrahmen
von mehr als zehn Jahren – etwa bei Mord oder Terrorismus – zum Einsatz
kommen.
Auch Dritte werden erfasst
Kritiker des "Staatstrojaners" sehen wenig Sinn und viele Risiken. Sie
betonen, dass Terroristen und professionelle Kriminelle sich nicht mit
der Onlinedurchsuchung fangen lassen. Diese sind in der Lage, ihre
Computersysteme entsprechend zu sichern. Auch würden in einem nicht
abschätzbaren Umfang Dritte erfasst, die beispielsweise zufällig auf der
gleichen Internetplattform aktiv sind wie die Zielperson, besitzt diese
Maßnahme doch eine extreme Streubreite, die auch unbescholtene Bürger
erfasst.
In den vergangenen Jahren setzten heimische Ermittler bereits
Spionagesoftware ein. Ohne gesetzlichen Rahmen wurde der PC von
Islamisten überwacht, auch gegen Tierschützer überlegte man den Einsatz
des Programms.
Innenministerium hält nichts von einem Verbot von Verschlüsselung
Die Verschlüsselung von Whatsapp ist in den vergangenen Wochen ins
Visier der US-Regierung geraten. In einem Ermittlungsfall seien von
einem Richter angeordnete Überwachungsmaßnahmen an der Whatsapp-Verschlüsselung
gescheitert, berichtete die "New York Times". Das amerikanische
Justizministerium hat sich daher der Sache angenommen.