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Wie funktioniert ein Quantencomputer?
Zwanzig Jahre lang waren Quantencomputer eine fixe Idee von
Grundlagenforschern. Nun investieren Google, IBM und Microsoft, die EU
und China, Geheimdienste und sogar Volkswagen in die mysteriöse
Technologie. Warum?
Von Max Rauner
30. Januar 2018, 7:44 UhrZEIT Wissen Nr. 1/2018, 12. Dezember 2017160
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Quantencomputer: Sie versprechen immense Rechenleistung, aber wann
kommen sie endlich auf den Markt? © Markus Spiske/unsplash.com
Manches Wissen wächst in verdammt hohen Gebieten. Trotzdem sollte man
sich hin und wieder dorthin aufmachen, auch wenn es richtig anstrengend
wird. Willkommen auf dem Pfad der Quanteninformatik.
Basislager
Gehen Sie erst los, wenn Sie die folgenden Grundlagen in Ihren Rucksack
gepackt haben
Die Anfahrt ins Basislager erfolgt mit 30 schwarzen Limousinen und
Kleinbussen von Mercedes, die Scheiben dunkel getönt. Die Fahrzeuge
stehen Spalier auf dem Kopfsteinpflaster vor der Heidelberger
Universität und spiegeln die Herbstsonne. Sieht aus wie der Fuhrpark für
einen Mafia-Film. Normalerweise chauffiere er Prominente wie Heidi Klum,
sagt einer der Fahrer. Aber die Kunden in dieser Woche in Heidelberg,
die seien netter.
Serie: "Die Zumutung"
"Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht
einfacher". – Diesem Prinzip Albert Einsteins folgt die Rubrik "Die
Zumutung" im Magazin ZEIT Wissen. Hier erklären Autoren anspruchsvolle
Themen anhand einer Bergwanderung in vier Etappen. Folgen Sie uns auf
diesem Pfad der Erkenntnis. Auf dem Weg zum Gipfel werden Sie ins
Schwitzen kommen, aber zur Belohnung eine hervorragende Aussicht
genießen.
Zwei Stufen hoch, vorbei an der Security. In der Eingangshalle scharen
sich viele junge Menschen um wenige ältere, es sieht ein bisschen aus
wie Opa erzählt vom Krieg. Kaffeepause. Ein Mann mit weißem Vollbart
wird vor laufender Kamera interviewt: Vint Cerf steht auf seinem
Namensschild, "Chief Internet Evangelist" bei Google. Er wird auch als
Vater des Internets bezeichnet, weil er den Standard TCP/IP für die
Datenübertragung mit erfunden hat.
Hier sind Wissenschaftler aus aller Welt versammelt: Nachwuchsforscher
treffen auf ihre Idole, die Superhirne der Computerwissenschaft und
Mathematik. Das Heidelberg Laureate Forum steuert auf den Höhepunkt zu:
Neuigkeiten über Quantencomputer.
Die 30 Fahrzeuge kutschieren die Teilnehmer eine Woche lang zwischen
Vorträgen, Sehenswürdigkeiten und Festessen umher. Man kann diesen Luxus
auch als Symbol betrachten: Quantencomputer waren 20 Jahre lang ein
exotisches, unverständliches, verspieltes Forschungsgebiet. Heute zieht
das Thema viel Geld an. Die Konferenz wird gesponsert von der Stiftung
des verstorbenen SAP-Gründers Klaus Tschira.
Der Physikprofessor John Martinis wurde aus Santa Barbara eingeflogen.
Google hat ihn dort von der University of California abgeworben und ihm
ein Labor zur Verfügung gestellt. "Normalerweise baut man so was zu
Beginn seiner Karriere mit 30 oder 35 auf", sagt er, "aber ich durfte
das in meinen 50ern noch mal tun." Jay Gambetta ist aus New York
gekommen, er entwickelt Quantencomputer bei IBM. Das Unternehmen hat
einen Prototyp konstruiert, den jeder über das Internet programmieren
kann. Dann ist da noch Seth Lloyd vom Massachusetts Institute of
Technology, ein Physikprofessor mit Zopf und Hut, der von einem Treffen
mit dem amerikanischen Militärdienst NSA zum Thema Quantencomputer
berichtet. Auch die EU, Intel, China, Microsoft und Volkswagen
investieren in Quantencomputer. Volkswagen?
Erster Anstieg
Los geht’s! Auf leichten Anhöhen begegnen Sie Erkenntnissen, die Sie ins
Schwitzen bringen können
Zum Aufwärmen ein YouTube-Video mit dem kanadischen Premierminister
Justin Trudeau. Dem reichten auf einer Pressekonferenz 40 Sekunden, um
die Vorteile eines Quantencomputers zu skizzieren. "Ein normales
Computerbit ist entweder 1 oder 0, An oder Aus", erklärte Trudeau, "ein
Quantenzustand ist aber viel komplexer, weil er gleichzeitig Welle und
Teilchen sein kann. Mehr Informationen passen in einen viel kleineren
Computer, das macht Quantencomputer so interessant." Die Erklärung ist
nicht ganz korrekt und lässt offen, warum Geheimdienste und Autofirmen
sich für die Maschine interessieren, führt aber auf den richtigen Pfad.
Dieser Text stammt aus dem ZEIT WISSEN Magazin 1/18. Das aktuelle Heft
können Sie am Kiosk oder hier erwerben.
Der Begriff "Quantencomputer" vereint Quantenphysik und Computer. Die
Maschine soll ebenso wie ein klassischer Computer Algorithmen ausführen
und mit Zahlen rechnen. Nur soll sie dabei die Gesetzmäßigkeiten der
Quantenphysik ausnutzen. Diese Aufgabe treibt Physiker, Mathematiker und
Informatiker an den Rand ihrer Möglichkeiten.
Bisher folgen die Bits und Bytes eines Computers den Regeln der
klassischen Physik aus dem 19. Jahrhundert: Ein Computer operiert auf
der untersten Ebene, im Maschinenraum, mit binären Zahlen wie 01101010.
Diese Zahlen werden in Speichern abgelegt und für Rechenoperationen
benutzt. Die kleinste Informationseinheit, das Bit (von binary digit ),
kann man sich wie einen Lichtschalter vorstellen, Aus oder An, 0 oder 1.
Jedes Urlaubsfoto ist letztlich ein Haufen gut sortierter Nullen und
Einsen. Acht Bit bilden ein Byte, eine Milliarde Byte bilden ein
Gigabyte.