Ukraine ( und Estland ) wollte Pegasus-Spyware kaufen, Israel blockierte
Deal aus Angst vor Russland
Ukraine wollte Pegasus-Spyware kaufen, Israel blockierte
Deal aus Angst vor Russland
Mehrere Versuche seit dem Jahr 2019. Estland wurde ebenfalls der Einsatz gegen
russische Ziele untersagt
NSO verspricht, jedes Smartphone knacken zu können.
Foto: JACK GUEZ / AFP
Kaum ein Stückchen Software ist umstrittener als Pegasus: Die von der
israelischen NSO Group entwickelte Spyware wird weltweit von Polizeibehörden und
Geheimdiensten eingesetzt, um die Sicherheitssperren von Smartphones zu knacken
und sämtliche Inhalte fein säuberlich sortiert auszulesen.
Dass der Hersteller dabei nicht immer so ganz genau schaut, an wen er da sein
mächtiges Tool verkauft, hatte im vergangenen Sommer für einige Aufregung
gesorgt. Eine durchgesickerte Kundendatenbank hatte aufgezeigt, dass unter
anderem auch autoritäre Regime beliefert wurden. Aber auch so manch demokratisch
gewählte Regierung hat demnach Pegasus gegen die Opposition im eigenen Land
sowie Journalisten eingesetzt.
Blockade
Nun scheint man aber plötzlich wählerisch geworden sein: Wie der "Guardian" und
die "Washington Post" in einer gemeinsamen Recherche herausgefunden haben,
wollte nämlich die Ukraine seit dem Jahr 2019 bereits mehrfach Pegasus kaufen,
wurde aber immer abgelehnt.
Allerdings war die Entscheidung in diesem Fall nicht ganz freiwillig: Laut dem
Bericht war es nämlich die israelische Regierung, die den Deal untersagt hat.
Das Verteidigungsministerium des Landes reguliert den Export solcher
Technologien. Die NSO Group muss sich also eine Genehmigung einholen, bevor man
die eigene Software an Regierungskunden verkaufen darf. Üblicherweise ist das
ein Routinevorgang, im Falle der Ukraine hat sich das Ministerium aber für eine
vollständige Blockade entschieden.
Interessenlage
Das wirft natürlich schnell die Frage nach dem "Warum" auf. Sinn dieser Regelung
ist es, dass hier keine Software an Länder verkauft wird, wo es den Interessen
des Staates Israel widersprechen könnte. Und genau das sieht man hier gegeben.
Nicht wegen der Ukraine selbst, sondern wegen des Gegenübers.
Anders gesagt: Die israelische Regierung befürchtete, mit dem Verkauf solch
einer mächtigen Spionagesoftware Russland zu verärgern. Immerhin wäre zu
erwarten gewesen, dass die Ukraine Pegasus auch gegen russische Ziele eingesetzt
hätte.
In dieses Bild passt auch eine andere Information aus dem "Guardian"-Artikel. So
soll zwar Estland schon länger Zugriff auf Pegasus haben, im Vorjahr sei dem
Land aber verboten worden, die Software gegen russische Ziele einzusetzen.
Passivität
Israel ist in den vergangenen Wochen für sein ambivalentes Verhältnis zu
Russland zunehmend in die Kritik gekommen, da das Land sowohl bei Sanktionen als
auch bei der Verurteilung des Angriffskriegs bisher sehr zurückhaltend war. So
hatte sich etwa der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj direkt an die
Mitglieder der Knesset gewandt, um Druck auszuüben – mit wenig Erfolg. Zugleich
war bekannt geworden, dass die Ukraine im Vorjahr auch das israelische
Raketenverteidigungssystem "Iron Dome" kaufen wollte und ebenfalls abgelehnt
wurde.
Neben der geopolitischen Perspektive könnte es übrigens noch einen anderen Grund
für die Pegasus-Blockade der Regierung geben. Die Software lebt davon, dass sie
bislang unbekannte Sicherheitslücken in vielgenutzter Software verwendet. Diese
wird oft über eher zwielichtige Firmen bezogen – und dass ein guter Teil dieser
Hacker in Russland sitzt, ist auch kein sonderliches Geheimnis. (Andreas
Proschofsky, 25.3.2022)
https://www.derstandard.de/story/2000134392036/ukraine-wollte-pegasus-spyware-kaufen-israel-blockierte-deal-aus-angst